Politiker-Lügen

Politik

Paradoxien der Verhältniswahl

Ein mathematisches Berechnungsverfahren muss die Sitze im Parlament (Bundestag) entsprechend der Anteil der Stimmen einer Partei verteilen.   Diese Aufgabe wäre trivial, wenn die Anzahl der Sitze gleich der  Zahl der Wähler wäre. Da natürlich ein Parlament effizient und bezahlbar sein soll, ist die Zahl der Parlamentarier deutlich kleiner als die Zahl der Stimmen. Dadurch muss in irgendeiner Weise gerundet werden und dadurch werden einzelne Parteien gegebenenfalls benachteiligt oder bevorzugt. Die Art der Rundung bestimmt das Wahlverfahren. Mathematisch unterscheidet man zwischen Quoten- und Divisorverfahren.

Divisorverfahren

  • d'Hondtschen Verfahren: Abrundung
  • Sainte Laguë: Standardrundung

Quotenverfahren

    Wahlzahl = Gesamtstimmenzahl / Gesamtsitzzahl
  • Hare/Niemeyer: arbeitet mit Restausgleich nach größten Bruchteilen

Hare/Niemeyer-Verfahren:

Im folgenden wollen wir uns das Hare/Niemeyer-Verfahren näher anschauen. (Benannt nach dem Londoner Juristen  Thomas Hare (1806-1891)  und deutschen Mathematiker Horst Niemeyer (*1928) ) Seit der 11. Wahlperiode hat dieses Verfahren das von d'Hond ersetzt und wird für die Umsetzung der Zweitstimmen in Sitze aus den Landeslisten der Parteien angewendet.

Algorithmus:

Die Anteile der Parteien werden in zwei Schritten berechnet:
  1. Die Quote wird ermittelt, indem die Stimmen der Parteien durch die Anzahl aller gültigen Stimmen ohne Enthaltungen für alle Parteien  dividiert wird und mit der Gesamtsitzzahl multipliziert wird. Dies entspricht der proportionalen Berechnung im Dreisatz.  Der abgerundete Teil der Quote (d.h. Zahl vor dem Komma) wird als Sitzzahl direkt zugeteilt.
  2. Im zweiten Schritt geht es um die nach Anwendung des ersten Schrittes noch verbleibenden Restsitze. Die Restsitze werden in der Reihenfolge der größten Nachkommateile der Quoten den Parteien zugeteilt.  Im Bundeswahlgesezt Paragraph 6, Abs. 3 wurde die Restsitzverteilung dergesteallt eingeschränkt, dass eine Partei mit mehr als der Hälfte aller Stimmen einen Restsitz immer dann erhält, wenn sie ohne diesen Sitz nicht die Mehrheit im Parlament hätte.

Paradoxien des Hare/Niemeyer-Verfahren

Alabamaparadoxon

Erhöht man nach einer Wahl die Gesamtsitzzahl eines Parlamentes, so kann eine Partei bei gleicher Stimmenverteilung (d.h. dem Ergebnis der Wahl) einen Sitz verlieren. Beim Bundestag passiert dies u.a. durch Ausgleichsmandateregelungen, wie z.B. Überhangmandate.
Dieses Paradoxon kann man sich am Besten anhand der Ergebnisse der Bundestagswahl von 1998 verdeutlichen.

Partei Zweitstimmen Quote bei 656 Sitzen Sitze bei 656 Sitzen Quote bei 657 Sitzen Sitze bei 657 Sitzen
SPD 20181269 285,268 285 285,702 286
CDU 14004908 197,963 198 198,265 198
CSU 3324480 46,992 47 47,064 47
Grüne 3301624 46,669 47 46,740 47
FDP 3080955 43,550 43 43,616 44
PDS 2515454 35,556 36 35,610 35
Zusammen 46408690 656,000 656 657,000 657

New State Paradox(Das Neue Partei Syndrom)

Durch das Streichen einer Partei mit Ihren Stimmen und Sitzen, kann eine andere Partei Sitze verlieren oder gewinnen. Die Fünfprozentklausel kann z.B. zu diesem Paradoxon führen.

Partei
Stimmenzahl
Sitzzahl
Sitzzahl
ohne Partei D
Quote
mit Partei D
Quote
A
398
5
5,32
6
5,57
B
250
4
3,34
3
3,50
C
100
1
1,54
1
1,33
D
252
(4)
3,36
4
3,52
gesamt
748 bzw. 1000
10 bzw. 14

14



Population Paradox

Darunter versteht man, dass eine Partei trotz Stimmengewinnen einen Sitz verlieren und gleichzeitig  eine andere Partei trotz Stimmenverlusten einen Sitz gewinnen kann.

Ergebnis der Bundestagswahl 1999:

Partei Zweitstimmen Quote Sitze
SPD 20181269 285,268 285
CDU 14004908 197,963 198
CSU 3324480 46,992 47
Grüne 3301624 46,669 47
FDP 3080955 43,550 43
PDS 2515454 35,556 36
Zusammen 46408690 656,000 656

Nehmen wir einmal an, dass die CDU damals 38000 Stimmen weniger erhalten,
dann hätte sich folgende Verteilung ergeben:
Partei Zweitstimmen Quote Sitze
SPD 20181269 285,5 285
CDU 13966908 197,5879 198
CSU 3324480 47,0 47
Grüne 3301624 46,7 47
FDP 3080955 43,58586 44
PDS 2515454 35,58579 35
Zusammen 46408690 656,000 656

Also hätte es in diesem Fall bei konstanter Stimmenzahl für PDS und FDP einen FDP Abgeordneten mehr im Bundestag gegeben und einen PDS-Abgeordneten weniger gegeben, obwohl sich lediglich die Stimmenzahl der CDU geändert hätte.

Weitergehende Informationen zu den Berechnungsverfahren finden Sie auf den Seiten von Martin Fehndrich, wo auch ein Teil der hier verwendeten Beispiele stammt: Stimmenverrechnung der Verhältniswahl
Ansonsten finden Sie auch reichlich Informationen zum Wahlrecht und den Berechnungsverfahren auf den Seiten des Bundestages



"Es gibt drei Arten von Lügen: Lügen, verdammte Lügen und Statistiken." (Benjamin Disraeli)

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