Politiker-Lügen

Politik

Deutschland ein Hochsteuerland


Stellen Sie sich vor, Herr Lügt-Nie, dem sie bisher vertrauten, vom dem sie dachten, dass er immer die Wahrheit sagt und niemals lügt, erzählt ihnen, dass das Schwimmbad von A-Stadt, also der Stadt in der Sie leben, hat die teuersten Eintrittspreise im ganzen Umkreis.  Sie sind erstaunt, denn schließlich gehen Sie mindestens dreimal pro Woche gerade in dieses Bad schwimmen. Lügt-Nie kennt sich aus, schließlich ist er eine lokale Größe in der Politik, ein von vielen geachteter Politiker. Jetzt wollen Sie Gewissheit und mit Hilfe des Internet verschaffen Sie sich einen Überblick.  Nun sind sie entsetzt! Kann es sein, dass sie ein Mann wie Lügt-Nie belogen hat? Selbst wenn Sie Schwimmbäder dazu nehmen, zu denen es sich selbst mit dem Auto nicht mehr lohnt, hinzufahren, bleibt ihr Bad bei den billigsten.

© <a href="http://www.fotolia.de/p/13015">Christophe Schmid</a> - FOTOLIAAls Sie Herrn Lügt-Nie der Lüge bezichtigen, windet er sich scheinbar geschickt aus der Affaire: Es wäre vollkommen falsch nur die reinen Eintrittspreise zu vergleichen. Wenn er schwimmen gehe, dann nehme er immer ein Gläschen Sekt und ein Lachsbrötchen. Wenn er die Preise für die Gastronomie hinzunehme, dann sei das besagte Bad das teuerste. Als Sie ihm sagen, dass dies für Sie keine Rolle spiele, da Sie nie etwas beim Schwimmen konsumieren, wirft er Ihnen vor, dass Sie das Problem nicht richtig erkannt haben. So sei es mit den meisten Normalbürgern, sie könnten nicht global denken. Sie würden zu sehr an sich selbst und nicht an die Bedürfnisse der Gesamtheit denken.

Nun wissen Sie es, während Sie sportlich Ihre Bahnen im Becken ziehen, sitzen Heerscharen vor dem Kiosk und verzehren Lachsbrötchen und trinken dazu Champagner und Sekt. Plötzlich kommt Ihnen ein neuer Gedanke: Ist es nicht so, dass die meisten Kioske gar keine Lachsbrötchen und Sekt anbieten? Was hat Herr Lügt-Nie eigentlich verglichen? Außerdem denken Sie trotzig, in der Gewissheit sich wieder als politisch unmündiger und ökonomisch diletierender Normalbürger outen: Sekt ist Sekt und ein Eintrittspreis ist ein Eintrittspreis!

Vergeblich suchen Sie Entspannung bei der Lektüre Ihrer Tageszeitung. Der Artikel des Tages: "Deutschland ein Hochsteuerland" oder auch "Deutschland bleibt ein Hochsteuerland" (Welt am Sonntag vom 23. April 2006).  Man zitiert Kurt Beck der scheinbar gegen den Strom schwimmt und behauptet, der deutsche Staat sei im Hinblick auf die im internationalen Vergleich niedrige deutsche "Steuerlastquote" von unter 20 Prozent unterfinanziert. Angeblich lügt Beck, denn die Steuerlastquote läge nicht knapp unter sondern knapp über 20 Prozent. Wie weit die Zahlen unter 20 bzw. über 20 liegen sucht man im Artikel vergeblich. Eine Antwort dazu findet man auf der Webseite der SPD: "Nach Berechnungen der OECD für das Jahr 2002 hat die Steuerquote mit 20,9 % des Bruttoinlandsprodukts einen historischen Tiefstand in der Geschichte der Bundesrepublik erreicht. Dieser Wert zählt auch innerhalb der OECD zu den niedrigsten Werten." Aber selbst wenn man sich auf die Abgabenquote bezöge, liegt Deutschland mit 34,6 % gar nicht schlecht, immerhin im Mittelfeld.

Also warum klagen? Die "Welt" weiß es! Jetzt kommt noch ein Gläschen Sekt und das Lachsbrötchen, oder besser gesagt der Champagner und der Kavier ins Spiel. Man denkt schließlich global und in großen Kategorien, d.h. Kapitalgesellschaften. Die müssen nach der Welt in der Europäischen Union in Deutschland nach Spanien mit 36 Prozent am meisten berappen. Wohlgemerkt, die Klein- und Mittelbetriebe und allen voran das Handwerk sind fast nie als Kapitalgesellschaft organisiert. Kapitalgesellschaften sind in der Mehrzahl die Konzerne, die global agieren und selbst die Spielregeln festlegen, in welchem Land der Welt sie Steuern zahlen.

Auch wenn es den Anschein hat, denkt "die Welt" natürlich auch an den Normalbürger oder zumindest was sie für einen normalen Bürger hält: Ein Alleinverdiener ohne Kinder zahle Spitzensätze in den OECD-Ländern nur noch übertroffen von Belgien. Ist es Zufall warum zum Beispiel Alleinverdiener mit zwei oder mehr Kindern nicht erwähnt werden. Bewusste Weglassungen können auch Lügen sein, besonders perfide.

Im Manager-Magazin, dem kaum jemand linke Tendenzen vorwirft, konnte man zu diesem Thema am 23. Februar 2004 einen vielsagenden Artikel von Henrik Müller lesen. Der Autor zitierte einen Vorstandschef eines großen Deutschen Konzernes, der verständlicherweise nicht namentlich genannt werden wollte mit den Worten: "Dass wir in Deutschland überhaupt keine Steuern zahlen müssen, halte ich für einen Skandal." Wegen hoher Schulden und hoher Zinszahlungen brauche die deutsche Konzernzentrale überhaupt keine Steuern zu zahlen, obwohl die Firma Gewinne machte. Müller kritisierte Edmund Stoiber von der CSU und Guido Westerwelle von der FDP, die während des Wahlkampfes zur Bundestagswahl 2002 den Eindruck erweckt hätten, als sei das größte Problem Deutschlands die Steuerbelastung. Müller schreibt, dass unsere Steuern im internationalen Vergleich weder besonders hoch noch über die letzten Jahre gestiegen seiein.

Plötzlich verstehen Sie: Die Politiker, die behaupten, dass man in Deutschland die meisten Steuern zahle oder dass Deutschland ein Hochsteuerland sei, lügen. Sie addieren in Deutschland Steuern, Abgaben und Versicherungen zur Vorsorge und vergleichen diese Summe mit der reinen Steuerlast in anderen Ländern. Hatte man denen in der Schule nicht beigbracht, dass man Äpfel und Birnen nicht quantitativ vergleichen darf oder wollen sie ihre Wähler und Wählerinnen bewusst hinters Licht führen?

Dann blättern Sie im Wirtschaftsteil, lesen dass unsere Löhne und Gehälter zu hoch im internationalen Vergleich seien,  allerdings nicht die Bezüge der leitenden Angestellten und Manager, die sind "natürlich" zu niedrig. Ist das die gleiche Lüge wie bei der Steuerquote?







 


"Es gibt drei Arten von Lügen: Lügen, verdammte Lügen und Statistiken." (Benjamin Disraeli)

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