Verwässertes Denken
Es ist immer gut einen Text mit dem Zitat eines namhaften Wissenschaftlers zu starten. Dann kann man hoffen, dass etwas von dessen Autortät auf die eigene Arbeit vom naiven Leser projeziert wird. Das dachten sich wohl auch die beiden ZEIT-Redakteure Christoph Drösser und Ulrich Schnabel in ihrem Artikel "Kann Wasser denken?" (DIE ZEIT 27.11.2003 Nr.49) und ließen Newton gleich zu Beginn zu Wort kommen: "Was wir wissen, ist ein Tropfen, was wir nicht wissen, ist ein Ozean."Ein wunderschönes Beispiel für die tropfenförmige Beschränktheit des menschlichen Wissens und für die schier grenzenlose Naivität auch gebildeter Menschen gegenüber pseudowissenschaftlichen Arbeiten liefern Sie mit ihrem Bericht über die Ausstellung des Ingenieur Bernd H. Kröplin "Welt im Tropfen" in der Berliner Urania. Sie räumen ein, dass die Meinung von Kröplin irritierend sei. Kröplin behauptet nicht mehr und nicht weniger, als dass Wasser seltsamste Eigenschaften besitzt, die den Gesetzen der Naturwissenschaft zuwiderlaufen: Nach Kröplin hat Wasser die Fähigkeit, Informationen zu speichern, auf menschliche Gefühle zu reagieren oder gar mit anderen Flüssigkeiten zu kommunizieren. Sie geben zu, dass man dies leicht als Esoterik abtun könnte, was sie jedoch nicht tun. Denn für die beiden Autoren gilt es gewissermaßen als Beweis für diese mehr als fragwürdigen Arbeit, dass Köplin ansonsten ein renomierter Wissenschaftler sei: "Bernd Kröplin ist kein durchgeknallter Wirrkopf, sondern ordentlicher Professor an der Fakultät für Luft- und Raumfahrt der Universität Stuttgart. Und bislang fiel er eher durch wissenschaftliche Exzellenz auf – für seine Arbeiten erhielt er 1999 den mit 750000 Euro dotierten Körber-Preis"
Sie scheuen sich auch nicht, eine Äußerung des Dichters D.H. Lawrence als weiteres Indiz für die Richtigkeit dieser verwässerten Wissenschaftlichkeit zu zitieren: "Wasser ist H2O, zwei Teile Wasserstoff, ein Teil Sauerstoff. Aber da ist noch ein Drittes, das erst macht es zu Wasser, und niemand weiß, was das ist."
Zugute halten kann man den Autoren wenigstens, dass sie in Erwägung ziehen, dass wir mit Köplin einen deutschen "Fall Benveniste" haben könnten. 1988 hatte der Immunologe Jaques Benveniste in der Zeitschrift "Nature" behauptet, eine Art "Gedächtnis des Wassers" nachgewiesen zu haben. Offiziell ist von Benvenistes Beweisen nichts mehr geblieben.
Eines sollte man jedoch nicht vergessen: Die Homöopathie baut auf solche Studien. Denn hätte das Wässer wirklich solche ungeheuerlichen Eigenschaften, wären auch die esoterischen Thesen von Hahnemann bewiesen. Sehen Sie dazu auch unseren Artikel über Homöopathie.
Der Zeitartikel spricht esoterischen Versandhäusern so sehr aus der Seele, dass sie im Internet recht großzügig aus diesem Artikel zitieren oder besser gesagt geklaut haben, denn sie verzichten gänzlich auf Anführungszeichen und Quellenangaben. Wir können uns natürlich nicht erlauben, solche Seiten direkt zu verlinken, denn dies würde den Tatbestand der Geschäftsschädigung erfüllen. Tippen Sie doch einfach einmal "Kann Wasser denken" bei Google ein und sie werden feststellen, dass einige der Suchergebnisse auf solche Seiten verweisen.
Im September 2004 erschien zu diesem Thema auch ein Buch mit dem Titel "Die Heilkraft des Wassers". Die beiden Autoren Jürgen Fliege, evangelischer Pfarrer, und Masaru Emoto, japanischer Doktor der alternativen Medizin, haben ein Buch geschrieben, in dem die kühnsten Träume der Esoteriker wahr zu werden scheinen. Nichts was Wasser nicht heilen könnte: "den Menschen, die Erde, unsere Beziehung zur Erde, zur Umwelt und zueinander." Wasser überwindet hier die Grenzen der Physik. es sprengt "unser mechanistisches Weltbild"
Wasser kann nach der Meinung der Autoren angeblich Botschaften und Gefühle speichern und ist sogar in der Lage, Texte zu lesen, wenn man Wasserflaschen entsprechend beschriftet. Wasser liest Wörter wie "Christentum", "Hinduismus" oder "Judentum" in wunderbarer Weise und anschließend verstehen die Kristalle das Wesentliche dieser Religionen. Leider geht das Buch nicht weit genug, denn vielleicht ergäben sich aus einer solchen Eigenschaft des Wassers ganz neue Lernmethoden: Der Mensch besteht doch bekanntermaßen zu 60 % aus diesem "myterischen" Stoff. Was wenn man einem Studenten der Medizin das Wort "Medizin" auf den Rücken schriebe, würde dann nicht das Wasser automatisch sich der Lehren der Medizin erinnern und könnte er nicht unverzüglich mit der Anfertigung einer Dissertation beginnen? Ob er eine schulmedizinisch relevante Arbeit hinbekäme ist sehr fraglich - höchstens in der geistigen Verdünnung ab D20 oder so -, aber man könnte ihm anschließend durchaus respektable Erkenntnisse im Bereich Homöopathie zutrauen!
Weiterführende Literatur:
Den Zeitartikel finden Sie unter:
Kann Wasser denken?
Eine sehr zu empfehlende ausführliche und kritische Auseinandersetzung finden Sie bei der GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften e.V.):
Wasser und Gedächtnis: Zeigt Kröplins Ausstellung "Welt der Tropfen" Wissenschaft oder nur Kunst?
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