Geschichten wider alle Vernunft

Blut-Schokolade

Herzhafter Biss, Schokolade
© Leah-anne Thompson -

Von der Boulevard-Presse wird sie angepriesen. In Foren und per E-Mail wird sie weitergereicht. Abends, wenn Partys schon in die reiferen Stunden kommen, wird sie dann zum Schrecken aller und vor allem der Vegetarier zum Besten gegeben: Blut-Schokolade
Ob man denn nicht wisse, dass zur Herstellung von Schokolade Blut verwendet wird. Sei doch wirklich allgemein bekannt.
Manchmal legen sie noch nach und mischen noch zerkleinerte Asiaten-Haare dazu. Auch wenn sie damit aus einer anderen Großstadt-Legende borgen, denn die chinesischen Haare gehören ins Brot und Blut in die Schokolade. Eigentlich sollte es ja egal sein, von welchem Tier das verwendete Blut stammt, aber Ochsen- und Rinderblut rangiert besonders hoch bei den modernen Geschichten-Erzählern und Legenden-Bildnern. Damit kann man neben dem Blut-Ekel auch gleich noch die Angst vor BSE schüren. Natürlich wissen solche Leute auch gleich von Fällen zu berichten, wo Leute sich durch Schokolade mit BSE infiziert haben sollen. Ist doch logisch oder? Wenn Schokolade Blut vom Rind enthält, dann kann man sich auch mit BSE infizieren.

Aber Schokolade enthält kein Blut, auch wenn es noch so oft behauptet wird. Die Firma Ferrero, die immer wieder mit ihrem Brotaufstrich Nutella zum Opfer auserkoren wird, beauftragte im Jahre 2000 das renomierte Institut Fresenius (Chemische und Biologische Laboratorien GmbH), Nutella zu untersuchen: Das Ergebnis:
... wir können aufgrund unserer langjährigen Kenntnis des Produktes und der Produktion bestätigen, dass weder Blut noch Blutbestandteile, noch sonstige Bestandteile vom Tier enthalten sind. Alle verarbeiteten Zutaten sind in der Zutatenliste genannt. (11. Dezember 2000)

Auch andere Hersteller, wie zum Beispiel Lindt & Sprüngli versichern glaubhaft auf Anfrage, dass  in ihren Produkten garantiert keine tierischen Substanzen wie beispielsweise Blut oder Tierhaare enthalten seien. Sie verarbeiteten mit Ausnahme von Milchbestandteilen, Eierlikör und Amarettinis, die Hühnereiweiß enthalten, ausschließlich Rohstoffe pflanzlicher Herkunft.
Der Schokoladenexperten Thomas Pape vom Infozentrum Schokolade und Autor des Buches "Schokolade, Eine kleine kulinarische Anthologie", Reclam Verlag hält es für unmöglich, dass in irgendwelcher Schokolade Blut verwendet wird.
In einem Artikel der "Arztl. Praxis" vom 11.02.1995 schreibt Prof. Dr. Reinhard Matissek "Zur Herstellung von Schokolade wird weder in Deutschland noch in der Europäischen Union Rinder- oder Schweineblut verwendet. Traditionell enthalten Schokoladen Zutaten wie Kakaomasse, Kakaobutter, Zucker und Milch."

Doch woher kommen diese anscheinend nicht mehr auszumerzenden Gerüchte?
Matissek schrieb in dem zitierten Artikel, dass ein Patentantrag von Amiello Faracchio aus Düsseldorf an diesem Mythos schuld sei. Er habe einen privaten Schokoladen-Brotaufstrich unter Verwendung von Blut entwickelt. Ein solches Patent sei allerdings nie erteilt worden.
Ähnliches findet sich auch in der Zeit: Auf Anfrage der Zeit, 1998, wies Herr Bernd Schartmann  von der Firma Lindt & Sprüngli auf zwei mögliche Ursachen hin:
  1. Ein Forschungsprojekt in der ehemaligen DDR, in dem man versucht habe, mit Blut der Schokolade eine kräftigere Farbe zu geben
  2. Patentantrag eines Tüftlers, der ein Verfahren entwickelt hatte, um mit Zusatz von Blut den Eiweißgehalt von Lebensmittel, also nicht nur Schokolade, zu erhöhen. Ein solches Patent wurde jedoch nie erteilt.
Ein deutsches Regenbogenblatt habe diese Patentanmeldung in Deutschland in unverantwortlicher Weise bekannt gemacht, und nicht exisitierende Zusammenhänge mit dem schokoladeproduzierenden Gewerbe hergestellt. Die hohe Auflage dieses Blattes und die große Naivität eines Großteils der Leser hat sicherlich zur schnellen Legendenbildung beigetragen.
Literatur (Matissek R (1995) Schweineblut in Schokolade? - Ein Horrormärchen. Ärztl Praxis (12): 24, 11.02.1995) Impressum